Die letzte Dorade von Saint Philibert. Oder: Leben und Sterben um jeden Preis


Pauls und Leonhards erste Geschichte ist gerade erschienen

 Wer diesen Roman liest, dem vergeht schon mal der Appetit. Ob Fleisch oder Fisch, Tiefkühlkost oder Tiernahrung: Lebensmittel-Kriminelle operieren nach dem Motto: high profit, low risk. Und werden immer raffinierter. Ein Mafia-Boss setzt auf grüne Technologie und bekommt es mit global agierender, lebensgefährlicher Konkurrenz aus Mexiko zu tun. Eine High-Tech-Fisch-Manufaktur in der Pfalz beschallt ihre Produktion mit gregorianischen Chorälen und sprengt die Fischmesse in Bremen. Ein chinesisches Syndikat drängt mit gefälschter Dorade auf die Speisekarte Berliner Edelrestaurants und filtert mögliche Mittelsmänner aus Internet-Handelsplattformen. Eine Grünen-Kreisgeschäftsführerin wird von fundamentalistischen Öko-Terroristen hingerichtet. Alles in allem äußerst unappetitliche Machenschaften, angerichtet von Todbringern aller Art, die den beiden Freunden und Journalisten Paul und Leonhard übel aufstoßen. Und den Europol-Agenten Albert fast um seinen Job bringen.

Man kann diesen im Themenmilieu organisierter Lebensmittelkriminalität, Terrorismus und journalistischer Mühen angesiedelten Kriminalroman lesen wie feine Lesekost. Und zugleich darüber gründlich nachdenken. Zum Beispiel über den grünen Karl Marx, das Böse im Guten, Charlie Hebdo, die Fiktion des Faktischen und über Europa. Ein Europa, das etwas ganz anderes meint als eine Geldmaschine.

Mit ihrem Erstlingswerk „Die letzte Dorade von Saint Philibert. Oder: Leben und Sterben um jeden Preis“  betreten die Autoren Ulrich Hutten und Robert Morgeroth literarisches Neuland im alten Genre der Kriminalromane. Vielleicht passen sie auch gar nicht so richtig in diese Schublade hinein. Kein Fast Food jedenfalls, kein Ex-und Hopp-Krimi. Sondern ein nachdenkliches Buch, das Fakten und Fiktionen, Realität und Phantasie in wildem Vexierspiel aufmischt. Und das darauf setzt, gerade deshalb wahr zu sein. So jedenfalls der Anspruch, den sich Ulrich Hutten und Robert Morgenroth unter ihren Pseudonymen selbst gestellt haben. Auch sie selbst waren Journalisten und sind Freunde wie die Protagonisten ihres Romans. Robert Morgenroth ist in Wiesbaden zuhause, Ulrich Hutten lebt in Potsdam. Und deshalb tauchen, zwischen all den europäischen Schauplätzen des Buchs, zwischen Paris und Budapest, Gotha und der Bretagne, Den Haag, Brüssel und Bologna, auch Städte auf, die vielleicht Potsdam sein könnten oder Baden-Baden, Schwerin oder Wiesbaden, und Landschaften, die vielleicht schon Fontane beschrieben hat. Wer weiß das schon so genau.

Nicht gleich zu durchschauen auch die anspruchsvolle literarische Form, die mit dem Inhalt dialektisch korrespondiert und ihn zugleich kunstvoll zusammenwebt: Kapitel unterschiedlicher Perspektiven auf dieselbe Geschichte, sprachlich formuliert in distanzierter Vergangenheit, wechseln mit der Gegenwart der Sprache und empathischer Nähe zu den Protagonisten, die unabsehbar in den Erzählstrang hineingeraten, ohne am Ende wirklich davon zu wissen.